Im Weltraum bewährt

    (Von Ulrich Arndt)

    Ob sie zu bleibenden Störungen führen, wurde in Tierversuchen untersucht. Unter dem Licht- und Elektronen-Mikroskop analysierte man die per Elektroakupunktur behandelten Gewebeareale und die den jeweiligen Akupunkturmeridianen zugeordneten Organe. Was die Wissenschaftler nicht erwartet hatten: Sämtliche Verfahren verursachten kleinflächige Zerstörungen von Nervenzellen, winzige Ödeme und Blutgerinnsel, ein punktförmiges Zerschmelzen der Hautschichten und Kollagenfasern oder krankhafte Veränderungen der Mitochondrien, der Energiekraftwerke der Zelle. Verblüffenderweise waren dabei die Mitochondrien-Schäden in den zugeordneten Organen meist größer als in den Bereichen der Akupunkturpunkte, wo der Mess-Strom eigentlich angelegt worden war, also beispielsweise an der Leber größer als bei dem Messpunkt auf dem Lebermeridian.
    Die von Nakatani entwickelte Methode etwa führt nach fünfmaligem Messzyklus zu irreversiblen Gewebeveränderungen. Hingegen treten nach dem Verfahren von Motoyama geringere Schäden in den zugeordneten Organbereichen, aber etwas stärkere- in Form kleiner Ödeme- im Bereich der Akupunkturpunkte auf. Bei der im deutschsprachigen Raum weit verbreiteten Methode nach Voll treten normalerweise etwas geringere Störungen auf, jedoch kann deren Ausmaß- je nachdem, wie kräftig der Therapeut die Messelektrode in die Haut drückt und wie empfindlich die Oberhaut des Patienten ist- starken Schwankungen unterliegen.
    Die Methoden der Elektroakupunktur, die eigentlich zur Diagnose bestehender Krankheiten dienen sollen, führen also selbst - wenn auch in sehr geringem Umfang - zu organischen Störungen. Der energetische und funktionelle Zustand des Patienten wird verändert, was jede weitere Messung fragwürdig macht.
    Es sind allerdings nicht in erster Linie die begrenzten Zellschäden, die bei diesen Varianten der Elektroakupunktur bedenklich stimmen. Schließlich werden auch bei der klassischen Akupunktur per Nadel die Zellen im Einstichbereich zerstört. Sogenannte Biophotonen- Messungen der natürlichen Lichtabstrahlung der Haut legen sogar nahe, dass solche lokalen Verletzungen im Bereich der Akupunkturpunkte heilende energetische Effekte auslösen können: Die Zellen im Umkreis der Verletzung beginnen dann nämlich laserähnliches Licht auszusenden, wodurch heilende und harmonisierende Effekte im Gesamtbereich des jeweiligen Meridians und der zugeordneten Organzone ausgelöst werden. Bei einer Diagnose aber, in deren Verlauf oftmals alle Meridiane durchgemessen und damit die betroffenen Zellen und das gesamte Energiesystem der Meridiane beeinflusst werden, können derartige Nebenwirkungen das Testergebnis verfälschen. Die darauf basierende Therapieempfehlung oder Auswahl von Medikamenten wird fragwürdig.

    Die meisten Hersteller von Elektroakupunktur- und Diagnose- Geräten haben daher in den letzten Jahren versucht, die Stärke des Mess-Stroms zu reduzieren. Vorreiter ist das erste Gerät der "Prognos"- Serie. Es wurde Anfang der 80er Jahre in der damaligen Sowjetunion mit großer staatlicher Unterstützung entwickelt und stellte bereits eine entscheidende Verbesserung gegenüber den damals vorhandenen Apparaten dar. "Prognos" sollte vor allem als einfach bedienbares Gerät zur Diagnose und Therapie bei Langzeit-Weltraumflügen dienen. Zum ersten Mal wurde es 1984 von den Kosmonauten Wolk und Atkow getestet und bestand dann in einer weiter entwickelten Form 1994/95 seine endgültige Bewährungsprobe: Als Vorbereitung auf einen bemannten Flug zum Mars hielt sich Dr. W.W. Poljakow von Anfang 1994 an insgesamt 432 Tage lang in der Weltraumstation "Mir" auf. Der regelmäßigen Diagnose und energetischen Therapie per "Prognos" sei es nach offiziellen Verlautbarungen zu verdanken gewesen, dass der Kosmonaut nach diesem Extremflug die Landungskapsel bei guter Gesundheit selbstständig verlassen und schon nach einem Tag ärztlicher Kontrolle wieder an seinen Arbeitsplatz im Moskauer Kosmonautenzentrum zurückkehren konnte.
    Zunächst hatten die "Prognos"- Konstrukteure untersucht, wie stark ein Mess- Strom maximal sein darf, um keine biochemischen Störungen oder Veränderungen in der Zellstruktur hervorzurufen, und wie lange der Stromfluss längstens einwirken darf. Erforscht wurde auch, wie viele Messungen maximal vorgenommen werden dürfen, ohne die Regulationsfähigkeit zu überlasten. Zudem wurde eine neuartige Testelektrode konstruiert, die den in einer Hülse liegenden Messfühler stets mit gleichem Druck auf der Haut aufsetzt und dadurch erst unabhängig vom Behandler reproduzierbare Werte ergibt.